Fallout 76 im Test
Zusammenfassung: Review auf Fallout76 von den Bethesda Game Studios. Bei diesem Online-Prequel ist jeder menschliche Überlebende ein anderer Spieler, mit dem ihr zusammenarbeiten könnt – oder auch nicht. Das Rollenspiel jetzt im Test.
Inhaltsverzeichnis
- Blick auf die Technik
- Schwächen bei den Kampfszenen
- Über die Stärken des Spiels
- Allein wirst du nicht überleben
- PvP mit inhaltlichen Schwächen
- Baue dein Camp
Blick auf die Technik
Lässt man sich auf ein solches Abenteuer ein, muss man allerdings auch bereit sein, alte Zöpfe abzuschneiden. Nicht immer lassen sich neue Ideen auf die gleiche Weise zubereiten, wie man es seit eh und je gewohnt ist. Denn ohne auch nur auf die Inhalte einzugehen, beginnen die Probleme von Fallout 76 bereits auf technischer Seite eklatant zu werden. Wie schon Fallout 4 und Skyrim liegt auch dem Online-Ableger die Creation-Engine zugrunde. Dabei handelt es sich um eine Weiterentwicklung der inzwischen 21 Jahre alten Gamebryo-Engine, die von Bethesda bereits seit The Elder Scrolls 3: Morrowind verwendet wird.
Dass dieser betagte Unterbau für ein modernes Open-World-Rollenspiel, noch dazu mit neu eingeführter Online-Komponente, nicht mehr zeitgemäß ist, zeigt sich leider sehr deutlich. Zwar wurden vor allem bei Charaktermodellen und Lichteffekten gegenüber dem Vorgänger noch ein paar Verbesserungen gemacht, aber insgesamt kann das Spiel längst nicht mehr mit ähnlichen Genrevertretern mithalten. Dieser Eindruck wird noch dadurch verstärkt, dass häufig Objekte und Texturen erst sehr spät in ihrem vollen Umfang geladen werden.
Gelegentlich schafft das Spiel auch das nicht. So liefen wir bereits über völlig texturlose Highways, vorbei an Felsen, deren Modelle nur aus eine Handvoll Polygonen zu bestehen schienen. Objekte wie Steine, Holzstämme oder gar Gegner schweben häufig in der Luft. Das Ragdoll-System kann bei besiegten Feinden zu skurrilen Reaktionen führen – wenn das System nicht gänzlich aussteigt und die Leiche eine Guhls schlicht in einer stehenden T-Position zurücklässt. Wirklich verrückt wurde es, als unser Charakter mit voller Lebensleiste, ohne einen Gegner weit und breit, plötzlich einfach tot umgefallen ist.
Hinzu kommt, dass trotz der betagten Optik die Performance doch arg zu wünschen übrig lässt. Framerate-Einbrüche bis hin zum kurzzeitigen kompletten Stillstand sind sogar auf der PS4 Pro an der Tagesordnung. Nicht nur bei der Erkundung der Spielwelt, sondern auch beim Öffnen der Karte oder des PipBoy-Menüs kommt das Spiel gerne mal ins Straucheln. Selbst auf einem High-End-PC mit GeForce 2080 Ti ließen sich gelegentlich Hänger beobachten, wenn auch nicht so häufig.
Schwächen bei den Kampfszenen
Neben der Grafikengine wird auch in einigen anderen Bereichen deutlich, dass die Entwickler ihr bekanntes Singleplayer-Grundgerüst einfach auf ein Online-Abenteuer übertragen haben, ohne dabei zu beachten, dass mit Multiplayer teils ganz andere Anforderungen an das Spiel einhergehen. Ein deutliches Beispiel dafür ist das Kampfsystem. Mit seiner Schnörkellosigkeit, bei der sich der Spieler schlicht kraft seiner ihm zur Verfügung stehenden Waffen gegen alles verteidigt, was das Ödland zu bieten hat, wirkt es irgendwie wie aus der Zeit gefallen. Ohne jegliche Form eines Deckungssystems, ohne Ausweich- oder andere Defensivmanöver gilt im Grund nur das Gesetz des Stärkeren (oder desjenigen mit den meisten Stimpacks). Kommen Gegner nah an uns heran, wird es schwierig, Treffer zu landen – selbst wenn das Fadenkreuz direkt auf dem Feind liegt.
In einem Singleplayer-Rollenspiel, wo sich das mit V.A.T.S. noch etwas kompensieren lässt, mag das funktionieren. Doch in einem Online-Titel lässt sich die Zeit nicht anhalten, was dem V.A.T.S. einen nicht zu vernachlässigenden Teil seiner Wirkung raubt. Hinzu kommt, dass man es in Fallout 76 durch die Auslegung auf ein Gruppenspiel häufig mit deutlich größeren Gruppen an Gegnern zu tun bekommt. Für einsame Wölfe kann das schon mal schnell in Hektik ausarten, wo häufig der Rückzug die einzige Form der sinnvollen Verteidigung ist. Hier wäre zum Beispiel ein System sinnvoll, das die Zahl der Gegner in einem Gebiet dynamisch an die Zahl der Spieler in der Umgebung anpasst. Natürlich soll das Spiel für Einzelgänger schwieriger sein, um Zusammenarbeit zu fördern. Das lässt sich aber auch erreichen, ohne den Spieler schlicht einer Übermacht entgegen zu stellen.
Wenig hilfreich bei dem Ganzen ist auch, dass das Kampfsystem ein Präzisionsproblem hat. Besonders in der Third-Person-Ansicht haben wir immer wieder beobachtet, dass mit eindeutig auf dem Gegner positioniertem Fadenkreuz keine Trefferwirkung erfolgt. Das tritt vor allem auf, wenn Gegner in Nahkampfdistanz sind. Erstaunlicherweise kann man dieses Problem etwas minimieren, indem man aus der Hüfte feuert, was eigentlich weniger erfolgsversprechend sein sollte als richtiges Zielen.
Über die Stärken des Spiels
Es ist wirklich bedauerlich, dass Fallout 76 vor allem an solchen technischen und mechanischen Unzulänglichkeiten krankt. Denn inhaltlich hat das Spiel jede Menge zu bieten, sogar deutlich mehr, als wir zugegebenermaßen erwartet hatten. Es handelt sich hier nicht nur um eine Sandbox, in der sich die Spieler ihre Unterhaltung selbst erzeugen müssen. Stattdessen erwarten euch unzählige Quests mit mal mehr und mal weniger gelungen Geschichten. Vor allem der Haupthandlung zu folgen lohnt sich, liefert sie doch eine spannende Erzählung um die Jagd nach den verbliebenen Atomsprengköpfen und der Suche nach den Ursachen für das menschenleere West Virginia. Wir finden das Tagebuch eines Kriegsüberlebenden und erfahren so häufig von den traurigen Schicksalen der ehemaligen Bewohner der Spielwelt.
Die Entscheidung der Entwickler, auf NPCs zu verzichten, liegt nämlich nicht nur in der Design-Idee begründet, dass jeder Mensch im Ödland ein anderer Spieler sein soll. Stattdessen kommen wir Stück für Stück dahinter, dass das Verschwinden der Kriegsüberlebenden mit dem Auftauchen der mysteriösen Brandbestie im Zusammenhang steht. Erzählt wird die Geschichte über zahlreiche Holobänder (die hervorragend gesprochen sind), Notizzettel und Einträge in Terminals. Wenn man sich auf diese Erzählweise einlässt, bekommt man wirklich tiefgreifende Einblicke in das Schicksal der ehemaligen Bewohner von West Virginia.
Den Schreibern von Bethesda gelingt es, auf diese Art sogar eine Bindung zu bestimmten Charakteren aufzubauen, selbst wenn man diese nur indirekt kennenlernt. Sei es Maria Chavez, die mit ihrer Gruppe aus Ersthelfern versuchte, für alle ein besseres Leben nach den Bomben aufzubauen. Sei es die junge Ingenieurin Abby, die hart an einem Frühwarnsystem gegen die Plage der Verbrannten arbeitete und wohlwissend um ihre geringen Überlebenschancen alle Vorbereitungen trifft, um zukünftige Entdecker ihrer Arbeit bei der Vollendung des Projekts zu unterstützen. In all diesen Geschichten schwingt dabei immer ein gewisser tragischer Unterton mit, wenn wir von den Träumen, Hoffnungen und Bemühungen von Leuten erfahren, die nun mutmaßlich nicht mehr am Leben sind. Das wird besonders dann deutlich, wenn wir irgendwo auf die Leichen der Personen stoßen, über die wir zuvor so viel erfahren haben.
Auf diese Erzählweise, die fast ausschließlich über sogenanntes "Environment Storytelling" stattfindet, muss man sich allerdings auch einlassen. Wer Holobändern und geschriebenen Texten keine Beachtung schenkt, wird in den Quests nicht viel mehr als aneinandergereihte triviale Aufgaben der Storte "Suche, Bringe, Töte" sehen. Natürlich fällt dadurch auch ein wichtiger Aspekt von Rollenspielen flach: Dialoge mit Entscheidungen und Auswirkungen von Charakterwerten.
Dabei hätte es durchaus auch Gelegenheit gegeben, zumindest gelegentlich auch ein paar richtige Gespräche in das Spiel einzubauen. Denn die verallgemeinerte Sichtweise, dass Fallout 76 keine NPCs besitzt, ist so natürlich nicht ganz richtig. Es gibt lediglich keine menschlichen NPCs. Vor allem in Form von Robotern trifft man auf einige interessante Charaktere. Da wäre zum Beispiel die leicht durchgeknallte Rose, die sich als Banditin nichts sehnlicher wünscht, als dass die Gegend wieder bevölkert wird, damit sie Leute zum Ausrauben und Ermorden hat.
Allein wirst du nicht überleben
Auf Dauer reicht das allerdings nicht aus, um von der fehlenden Interaktion über Dialoge mit Entscheidungen abzulenken, die in Fallout bisher immer eine wichtige Rolle gespielt haben. Dadurch bleiben auch Fraktionen wie die Responder oder die Stählerne Bruderschaft blass. Sie spielen in der Handlung zwar eine gewisse Rolle – der Spieler kann sie aber nur passiv wahrnehmen und sich nicht wie gewohnt der Sache einer von ihm bevorzugten Gemeinschaft anschließen.
Diese Lücke sollen diesmal daher die eigenen Freunde füllen, mit denen man sich in Gruppen zusammen findet und gemeinsam Abenteuer erlebt. Mit vereinter Feuerkraft lassen sich die zahlreichen Events, der Kampf gegen die mächtigen Brandbestien und die Jagd nach den Atombomben gleich viel leichter angehen. Das funktioniert nicht nur mit der eigenen Gruppe, sondern auch mit zufälligen Begegnungen im Ödland ausgesprochen gut. Gruppen haben natürlich den Vorteil, dass sie sich bei der Perk-Verteilung abstimmen können. Es reicht schließlich, wenn ein Spieler in der Party Schlösser knacken kann. Durch die teilbaren Perks werden Vorteile zudem auf die Kameraden übertragen.
Etwas eigenartig mutet allerdings die Entscheidung an, dass Gruppenmitglieder nicht automatisch Erfahrungspunkte teilen. Stattdessen bekommt die wertvolle XP nur wer auch wirklich Schaden am Gegener gemacht hat. Das unterscheidet sich also nicht von Situationen, in denen man nicht gruppiert ist. Auch die Erledigung von Questzielen ist hier nicht konsequent auf das Gruppenspiel ausgelegt. Seid ihr mit Freunden auf der gleichen Mission unterwegs muss jeder einzelne das entsprechende Ziel erfüllen. Es reicht nicht, wenn einer von euch zum Beispiel Gegenstand XY aufsammelt.
Zur Kommunikation steht euch ein integrierter Voice-Chat zur Verfügung. Dieser lässt sich zwar auf verschiedene Weise konfigurieren (Bereich, Gruppe, Serverweit), wichtige Funktionen wie Push-to-Talk fehlen aber komplett. Eine Alternative in Form eines Textchats werdet ihr ebenso vergeblich suchen. So bleiben zur Verständigung mit Spielern, die kein Voice-Chat nutzen nur eine Reihe von Emotes, um eure Intentionen auszudrücken. Dabei hat es gute Gründe hin und wieder auf Unterhaltungen mit anderen Spielern zu verzichten. So lässt sich der Handlung nur schwer folgen, wenn beim Hören von wichtigen Audio-Logs permanent jemand dazwischen quatscht.
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PvP mit inhaltlichen Schwächen
Wer nicht gerne mit anderen zusammen spielt, aber dafür um so lieber auf Kriegsfuß mit seinen Mitspielern steht, wird in diesem Spiel eher nicht zufrieden gestellt. Das PvP-System ist vor allem darauf getrimmt, dem einzelnen Spieler den PvE-Spielspaß nicht zu rauben. Denn erst wenn man den Angriff eines Spielers erwidert, wird ein PvP-Kampf ausgelöst. Die Idee klingt zunächst nicht schlecht, lässt sich aber auch gewaltig ausnutzen. Wird man angegriffen hat man im Grunde alle Zeit der Welt, um sich vorzubereiten, in Position zu bringen und sich mit einem mächtigen Gegenschlag einen direkten Vorteil zu verschaffen. Darüber hinaus fehlt es an echten Anreizen sich mit anderen Spielern zu bekämpfen. Lediglich die Jagd auf gesuchte Mörder belohnt uns immerhin mit einem gewissen Kopfgeld, das allerdings auch nicht besonders üppig ausfällt.
Baue dein Camp
Aber auch ohne Krieg zwischen Spielern gibt es abseits von Quests und Gruppenspiel jede Menge zu tun. Immerhin gilt es eine gewaltige Weltkarte mit Hunderten interessanter Orte zu erkunden; natürlich immer mit dem Hintergedanken, alles einzusammeln, was nicht niet- und nagelfest ist und nur den Anschein von späterer Nützlichkeit versprüht. Wir brauchen schließlich Vorräte, um nicht Hunger und Durst zu leiden, unser Munitionslager will ständig aufgefüllt werden und natürlich brauchen wir Unmengen von Ressourcen für Handwerk und Basenbau.
Wirklich gezwungen, ein eigenes Lager zu errichten, ist man im Grunde nicht. Werkbänke und selbst persönliche Lagerkisten findet man in der Spielwelt immer wieder. Es ist dennoch nicht schlecht, einen Ort zu haben, den man selbst gestalten kann, wo man alles zur Verfügung stellen kann, was man braucht – vor allem vor dem Hintergrund, dass man sein Camp jederzeit kostenlos per Schnellreise erreicht. Im Vergleich zu Fallout 4 können wir unsere Basis nun an nahezu jedem beliebigen Ort der Spielwelt errichten, was auch strategische Erwägungen eröffnet.
Wer umfangreiche Gebäude errichten möchte, muss sich zunächst auf die Suche nach Bauplänen machen, denn bis auf ein paar grundlegende Holzkonstruktionen müssen die meisten Bauoptionen zunächst freigeschaltet werden. Außerdem werden nicht wenige Rohstoffe verschiedenster Art benötigt. Gut, dass nahezu alles in seine wertvollen Komponenten zerlegt werden kann. Das Problem hierbei wird jedoch sehr schnell der begrenzte Lagerplatz. Neben dem eigenen, von der Stärke abhängigen Inventar, hat man zusätzlich nur eine Lagertruhe mit Stauraum für maximal 400 Gewichtseinheiten. Da selbst Rohstoffe und auch so ziemlich alles andere ein gewisses Gewicht besitzt, ist dieser Platz schon nach wenigen Spielstunden kaum noch ausreichend. Dabei ist man auf gut gefüllte Vorräte angewiesen. Immerhin gilt es regelmäßig zu essen, trinken und die notorisch beschädigte Ausrüstung auf Vordermann zu bringen. Für ein Spiel, das so großen Wert auf Survival, Crafting und Basenbau legt, muss hier also dringend noch nachgebessert werden.
Das gilt aber auch für diverse andere Stellen des Spiels. Neben den bereits eingangs erwähnten deutlichen technischen Problemen gibt es noch genügend Bugs. Quests werden hin und wieder nicht richtig aktualisiert oder NPCs lassen sich nicht wie gefordert ansprechen. Hier hilft meist nur, den Server zu verlassen und sich neu einzuloggen. Mit Pech müssen danach allerdings bereits erledigte Questschritte erneut absolviert werden. Besonders ärgerlich, wenn man immer mal wieder unfreiwillig vom Server fliegt. Außerdem gibt es kleinere Animations- und Soundbugs. Nach zahlreichen Spielstunden in Fallout 76 lässt sich feststellen, dass dem Spiel eine wirklich ausgiebige Beta-Phase sowie eine paar Monate längere Entwicklungszeit definitiv nicht geschadet hätten. Reklame: Fallout 76 jetzt bei Amazon bestellen
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49,99 €Pro
- Abwechslungsreiche Spielwelt
- Große Vielfalt an Waffen und Rüstungen
- Koop mit Freunden, inklusive teilbarer Perks
- Interessante Hintergrundgeschichte, emotionale Einzelschicksale
- Großer Umfang
Contra
- Hässliche Texturen
- Kampfsystem hakelig und teilweise unpräzise
- Präsentation der Handlung nur über Texte und Holobänder
- Technisch veraltet
- Überfrachtete und eigenwillige Steuerung (PC)