Werewolf: The Apocalypse – Earthblood: Blutbad für die Umwelt

Adventure

Zusammenfassung: wollt die Krallen ausfahren, durch Gegner fetzen, die Bude mal so richtig kurz und klein hauen – und das alles im Namen von Mutter Natur? Dann hat Entwickler Cyanide das richtige Spiel für euch: Werewolf: The Apocalypse – Earthblood mixt Schleicheinlagen und wilde Kämpfe zu einem Actionspiel mit grüner Botschaft. Gute Ansätze, die aber im Mittelmaß versinken: Im Test bleibt Werewolf durch und durch ein B-Titel.

Inhaltsverzeichnis

Vampire hatten wir schon, Zombies gibt’s zur Genüge und Gespenster sind ein alter Hut. Werwölfe dagegen? Die sieht man in Spielen eher selten, zumindest auf Seiten der Guten. Allein das hebt Werewolf: The Apocalypse – Earthblood wohltuend von der Masse ab: Auf Basis der World-of-Darkness-Lizenz hat Entwickler Cyanide ein Action-Adventure geschaffen, das spannende Ideen mit einer starken Marke kombiniert. Doch im Gegensatz zu Vampire: The Masquerade – Bloodlines, das im gleichen Spieluniversum verankert ist, wird hier massig Potenzial verschenkt: Im Test zeigt sich Earthblood als lauwarmer Wolfsklopper, der einfach nicht genug aus seinen Ansätzen macht.

Apocalypse Wau

Ihr seid Cahal, ein erbitterter Umweltaktivist, Familienvater und mordsgefährlicher Garou – so heißen die Werwölfe im Spiel, die sich zu einem schlagkräftigen Rudel zusammengeschlossen haben. Ihre Mission: Im Namen von Erdmutter Gaia den bösen Konzern Endron bekämpfen. Der richtet nämlich nicht nur die Umwelt zugrunde, sondern dient in Wahrheit den Mächten des Wyrm, einer bösartigen Urkraft im World-of-Darkness-Universum.

Cahals Freunde – eine bunte Mischung aus Werwölfen, Geisterwesen und Umweltschützern – haben im Wald ein Lager errichtet, nur ein paar Schritte von mehreren Endron-Anlagen entfernt. Dort sind verschiedene Missionsziele zu erfüllen, zum Beispiel soll Cahal einen Komplex in die Luft jagen, eine Trainingsanlage infiltrieren, Daten klauen oder einen Staudamm auskundschaften. Später ist er auch in der Wüste von Nevada unterwegs, wo sich das Muster einfach wiederholt: Erst ist man ein paar Minuten in der Wildnis unterwegs, dann geht’s auch schon wieder ins nächste Hochsicherheitsgebiet von Endron. Dort erwarten uns meistens graue Innenlevels voller Büros, Labore, Garagen, Regale und Kisten – das bleibt so bis zum Schluss, auch die Missionsabfolge ist vorgegeben.

Hier und da erhält man zwar ein paar Nebenquests, doch für die meisten muss man nur die kleinen Wald- und Wüstenlevels nach Geistern oder Altären absuchen, das fügt der Story nix hinzu und lohnt sich kaum. Dazu gibt’s noch ein paar Dialoge, in denen man aus mehreren Gesprächsoptionen wählen darf, doch auch die haben in der Regel keinerlei Tragweite. Erst ganz zum Schluss trifft man eine Entscheidung, die das (unbefriedigende) Ende beeinflusst, doch ein richtiges Rollenspiel ist Earthblood deswegen noch lange nicht.

Auf den Wolf gekommen

Die linearen Innenlevels bestehen im Grunde nur aus schwer bewachten Räumen, Gängen und Hallen. Wie man da durch kommt, ist uns überlassen. Als Werwolf verfügt Cahal nämlich über mächtige Fähigkeiten, die zwei verschiedene Spielstile unterstreichen und überraschend gut ineinander greifen. Zuerst lernen wir das Schleichen: Cahal kann in Menschengestalt leise an Wachen vorbeihuschen, hinter Kisten Deckung finden, ahnungslose Gegner erwürgen oder sie mit einer Armbrust lautlos aus der Ferne ausschalten. Die Penumbravision – eine Art Röntgenblick – macht Feinde durch Wände sichtbar und erleichtert das Vorgehen. Allerdings darf man besiegte Wachen nicht außer Sichtweite schaffen, sie bleiben an Ort und Stelle liegen – von dem Entwicklerteam hinter der Styx-Reihe hätten wir mehr erwartet. Da die KI-Gegner aber auf festen Pfaden laufen und uns erst spät registrieren, sollten hier auch Stealth-Anfänger keine Probleme haben. Erst wenn man entdeckt wird und die Feinde Verdacht schöpfen, suchen sie den Raum ab.

Damit es aber gar nicht so weit kommt, hat Cahal noch einen coolen Trick auf Lager: Auf Knopfdruck verwandelt er sich blitzschnell in den Lupus, seine erste Wolfsgestalt. Als fluffiger Vierbeiner ist Cahal kleiner und schneller unterwegs, so kann er sich besser feindlichen Blicken entziehen und höhere Levelbereiche erklimmen. Die ungelenken Sprunganimationen sehen zwar furchtbar aus, ab und zu versinken die Wolfspfoten sogar tief in der Levelgeometrie, doch zumindest profitiert das Gameplay davon.

In Wolfsgestalt kann sich Cahal auch in gut markierte Schächte und Durchgänge zwängen. Auf diese Weise lassen sich viele Kämpfe vermeiden, man umgeht die Gegner einfach. Da besiegte Feinde ohnehin keine Beute oder Erfahrungspunkte abwerfen, verpasst man dabei nichts. Viele Durchgänge führen außerdem in Kontrollräume, wo Cahal Computer bedienen kann, dadurch lassen sich Sicherheitskameras und Geschütze abschalten. Zusätzlich gibt es in vielen Hallen noch Schalttafeln, die Cahal sabotieren sollte, bevor es zum Kampf kommt – dadurch wird der gegnerische Truppennachschub geschwächt und man hat ein leichteres Spiel.

Ein Blutbad jagt das nächste

Und was wenn doch mal Alarm ausgelöst wird? Oder wenn wir einfach keine Lust auf Schleichen haben? Dann können wir auch jederzeit zum Angriff übergehen, denn Earthblood lässt uns hier praktisch immer die Wahl. Dazu verwandelt sich Cahal automatisch in den Crinos, seine zweite Wolfsgestalt. In dieser mächtigen Form müssen wir nun alles wegmeucheln, was uns Endron entgegenwirft: Anfangs sind das nur einfache Sicherheitskräfte, später kommen auch Scharfschützen, muskelbepackte Kämpfer, Schildträger, mutierte Wyrm-Viecher, Drohnen und Mechs hinzu. Um mit den Gegnerwellen fertigzuwerden, kann Cahal fließend zwischen zwei Kampfhaltungen wechseln. Eine sorgt für einen schnellen Stil, mit dem sich leichte Gegner ruckzuck zerfetzen lassen, die andere ist langsamer und macht Cahal widerstandsfähiger.

Wenn der Crinos mit seinen gewaltigen Klauen zuschlägt, sieht das nicht nur wuchtig aus, es bauen sich dabei auch Wut und Zorn auf. Ist der Wut-Balken gefüllt, können wir Cahal für kurze Zeit in einen Raserei-Modus versetzen, dadurch teilt er noch heftiger aus. Zorn dagegen kommt für sieben Fähigkeiten zum Einsatz, darunter Heilung, Sprungattacken, schwere Klauenangriffe oder mächtige Druckwellen. Die Fähigkeiten haben ordentlich Wumms und sind allesamt nützlich, hin und wieder übertreiben es die Entwickler aber mit dem visuellen Feedback, da gehen die Gegner dann auch mal im Effektgewitter unter. Das allein wäre noch zu verschmerzen, doch leider sorgt auch die bockige Kamera dafür, dass die Übersicht immer wieder leidet und man die Gegner aus dem Blick verliert. Im Test hatten wir die Action mit Maus und Tastatur übrigens ein wenig besser im Griff als mit dem Gamepad.

Des Pudels trister Kern

Die Kämpfe spielen sich anfangs kinderleicht und werden erst im letzten Spieldrittel etwas fordernder, wenn das Spiel immer stärkere Gegnerwellen auf uns hetzt. Das ständige Reißen und Fetzen verliert jedoch an Reiz, da alle Gefechte nach dem gleichen Muster ablaufen; einzig die neuen Gegnertypen, die von Zeit zu Zeit eingeführt werden, sorgen da noch für Abwechslung. Da hilft es auch nicht, dass man viele Teile der Umgebung sehenswert zu Kleinholz verarbeiten kann; die Zerstörungsorgie verpufft spätestens dann, wenn der letzte Gegner niedergekrallt wurde und man sich in seine Menschengestalt zurückverwandelt. Der Raum wirkt nun wie leergefegt und steril, nur der Boden ist mit Leichen gepflastert, die Wände über und über mit Blut beschmiert. Blut, das optisch eher an klumpigen, alten Himbeersirup erinnert. Kein schöner Anblick.

Auch in den Bosskämpfen wird man kaum gefordert. Mehrmals müssen wir gegen feindliche Werwölfe antreten, einmal stellt sich uns auch ein besonderer Mech entgegen. Eine Taktik braucht’s dabei nicht: Einfach ständig ausweichen, zuschlagen, heilen, noch mehr zuschlagen – so schmilzt der gegnerische Lebensbalken in Rekordzeit. Eine Ausnahme bildet ein größerer Bosskampf im Nevada-Kapitel, der sich zwar um ein paar besondere Mechaniken und Phasen bemüht, dabei aber vor allem mit seiner ungeschickt platzierten Kamera nervt.

Ein alter Hund lernt neue Trick

Cahal ist zwar von Anfang an die reinste Kampfbestie, kann aber trotzdem noch dazulernen. Da es kein Erfahrungspunktesystem gibt, muss er deshalb Geisterenergie sammeln, die man vor allem in unscheinbaren Pflanzen entdeckt. Hat man davon ein paar gefunden, gibt’s einen Upgrade-Punkt, den wir dann in ein kleines Talentesystem stecken dürfen. Hier warten zwar auch Verbesserungen für den Schleichmodus, doch die wichtigsten Upgrades beziehen sich auf den Kampf – wer sich das Leben leichter machen will, investiert in Heilung und schaltet früh die stärksten Angriffe frei, der Rest ist optional.

Mit der Suche nach Geisterpflanzen und den freiwilligen Nebenquests lässt sich zwar ein wenig mehr Spielzeit rauskitzeln, doch selbst dann ist Werewolf: The Apocalypse (jetzt kaufen 44,99 €)- Earthblood recht kurz geraten: 10 bis 15 Spielstunden darf man für einen kompletten Durchgang einplanen; wer auf Stealth verzichtet und sich einfach durchmetzgert, ist schneller durch.

Tierisch veraltet

Nicht nur spielerisch wirkt Earthblood etwas aus der Zeit gefallen, auch grafisch erinnert das Spiel an frühe PS3-Titel. Zwar gibt’s in den Kämpfen nette Partikel- und Zerstörungseffekte zu sehen und auch Cahals Kampfanimationen machen einiges her, doch der Rest wirkt schlicht veraltet: NPCs schrecken mit leblosen Gesichtern und steifer Körpersprache ab, viele Animationen wirken ungelenk, Vegetation reagiert nicht auf Berührung und moderne Spiegeleffekte oder eine dynamische Beleuchtung hat man sich gespart. Beim Sound sieht’s nicht viel besser aus: Es gibt solide englische Sprecher, die aber kaum Herzblut in ihre Rollen legen. Während der brachialen Kämpfe scheppert unmotiviert laute Rockmusik aus den Boxen. Und beim Schleichen sind nur leise atmosphärische Tracks zu hören, die so unauffällig sind, dass man sie kaum wahrnimmt. Auch ein packendes Titelthema sucht man vergebens – kein Wunder bei einem Spiel, da sich auch sonst wenig Mühe gibt, einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Werewolf: The Apocalypse – Earthblood kostet auf PC knapp 40 Euro, die Konsolenfassungen für PS4 und Xbox One schlagen mit 50 Euro zu Buche. Die PC-Fassung ist nur über den Epic-Games-Store erhältlich. Die Xbox-One-Version lag uns nicht zum Test vor.

Fazit

Earthblood hätte das Zeug zum packenden Öko-Thriller gehabt, allein die Lizenz steckt voller Potenzial. Doch Cyanide hat daraus ein erstaunlich lustloses Action-Adventure gestrickt, das zwar funktioniert, aber in keiner Disziplin glänzen kann. Am besten gefallen mir noch die blutigen Nahkämpfe und die Tatsache, dass ich mich auch fast immer für Stealth entscheiden kann. Leider bleibt die Wahl aber letztendlich ohne Konsequenz, denn es geht ohnehin nur darum, irgendwie von einem Raum in den nächsten zu kommen. Damit entzaubert sich Earthblood viel zu früh von selbst. Rechnet man dann noch die veraltete Präsentation, eine spannungsarme Story, steife Dialoge und oberflächliche Rollenspielaspekte hinzu, kommt eine gute Wertung nicht in Frage. Als Budget-Titel kann man Earthblood sicher mal mitnehmen, allzu viele Werwolf-Actionspiele gibt es schließlich nicht. Doch der fade Nachgeschmack bleibt: Dieses Konzept hätte ein deutlich besseres Spiel verdient.

Werewolf: The Apocalypse - Earthblood

44.99
7.7

Spielbarkeit

8.0/10

Design

8.0/10

Anspruch

7.0/10

Spielspaß

7.5/10

Preis

8.0/10

Pro

  • Freie Wahl zwischen kämpfen und schleichen
  • Solides Spielkonzept, das nicht zuviel auf einmal versucht
  • Wuchtiges Kampfgefühl in Werwolf-Gestalt

Contra

  • Lahme Geschichte, uncharismatischer Held
  • Relativ kurz
  • Simple Charakterentwicklung
  • Überwiegend triste Levels
  • Kämpfe überwiegend anspruchslos
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