Stronghold: Warlords im Test

Simulation

Zusammenfassung: Beinahe pünktlich zum 20. Jubiläum des Serien-Erstlings bringen Firefly Studios Stronghold: Warlords auf den Markt. Das soll der zuletzt ein wenig in Ungnade gefallenen Strategieserie zurück zu alter Stärke verhelfen, dank frischem Setting und zahlreichen Gameplay-Neuerungen. Ob der Plan des britischen Studios tatsächlich aufgegangen ist, klären wir im Test samt Video.

Inhaltsverzeichnis

Fühlt sich an wie daheim

Bereits nach ein paar Spielminuten gibt es die erste positive Überraschung: Obwohl mein letztes richtiges Stronghold schon ein paar Jahre zurückliegt, dauert es nicht lange, bis ich mich wieder zurechtgefunden habe. Bereits im Tutorial, das einem die groben Basics beibringt, fühlt man sich als alteingesessener Veteran schnell wie zu Hause: Hier ist meine Karte, hier mein Baumenü, hier die Übersicht über den Gemütszustand meiner Untertanen. Die Handgriffe sitzen, als hätte man nichts verlernt. Es ist fast wie beim Fahrradfahren. Gut, das könnte auch daran liegen, dass sich die Nutzeroberfläche seit dem Serienerstling so gut wie gar nicht verändert hat. Entsprechend wirkt die UI ein wenig altbacken. Das hat auf der anderen Seite aber eben auch den Vorteil, das man sich als Kenner ohne lange Umschweife direkt in die Kampagne stürzen kann.

Hier gibt es zumindest schon mal ein paar Änderungen: Statt wie anno dazumal eine durchlaufende Geschichte um fiktive Königreiche und Charaktere zu erzählen, gibt es nun insgesamt fünf Kampagnen, die sich zumindest grob auf historische Daten stützen und euch durch verschiedenste Epochen der fernöstlichen Kriegsführung geleiten: Los geht’s im dritten Jahrhundert vor Christus, wo ihr mit Thuc Phan, einem sagenhaften Herrscher der vietnamesischen Frühzeit, das Tal des Roten Flusses aus dem Würgegriff der Hung-Dynastie befreit. Danach schaltet ihr weitere Missionen frei, die euch über den Verlauf von fast 2000 Jahren hinweg das chinesische Kaiserreich, den Aufstieg Dschingis Khans oder die Zeit der japanischen Shogune durchleben lassen.

Insgesamt erwarten euch 31 Aufträge, in die ihr je nach Schwierigkeitsgrad und Können bis zu 30 Stunden investieren könnt. Abwechslung ist dabei durchaus geboten: Mal müsst ihr eure Burg gegen feindliche Anstürme verteidigen, mal eine gegnerische Festung mit einer begrenzten Anzahl an Truppen einnehmen. Die meiste Zeit seid ihr aber mit der Vorbereitung auf einen Kampf beschäftigt. Entsprechend gilt es, eine funktionierende Waren- und Waffenproduktion aufzuziehen, auf deren Basis dann später eure Kriegsführung fußt.

Ich und mein Holz

Im Gegensatz zu anderen Aufbauspielen, etwa der Anno-Serie, sind die Fertigungsketten dabei recht überschaubar. In Stronghold: Warlords gibt es nur vergleichsweise wenige Ressourcen, die dann auch nur recht selten weiterverarbeitet werden müssen. Zu Beginn kommt ihr beinahe komplett mit Holz durch, mit dem ihr Reis- und Gemüsefelder baut, um eure Nahrungsversorgung zu sichern. Mit Bogen- und Axtmachern lässt sich eine erste Streitmacht zusammenstellen.

Im weiteren Spielverlauf wird es dann zunehmend komplexer. Die Japan-Kampagne führt etwa neue Rohstoffe und Gebäude ein. Ihr lernt den Abbau von Stein und Eisen, könnt nun Wälle hochziehen oder Schmieden errichten. Auf der wirtschaftlichen Seite erwarten euch indes Salpeterminen und Seidenraupen-Farmen, die längere Produktionslinien nach sich ziehen. In mehreren Arbeitsschritten wird hier beispielsweise Schwarzpulver hergestellt oder Seidenfaden in hochwertige Kleidung umgewandelt.

Was dabei jedoch wichtig zu erwähnen ist: Diese stückweise Lernkurve hat nichts mit historischer Korrektheit oder gar ausgefeilten Gameplay-Unterschieden der einzelnen Völker zu tun. Dass die vorchristliche Thuc-Dynastie nicht in der Lage ist, Schwarzpulver herzustellen (was ja aus technologischer Sicht durchaus Sinn ergeben hätte), liegt lediglich daran, dass euch die frühen Kampagnen manche Optionen einfach vorenthalten. Im freien Spiel kann später jeder alles bauen. Individuelle Eigenheiten – etwa wie in Age of Empires, wo die Wahl der Kultur eine weitreichende Konsequenz hat – gibt es nicht. Abgesehen von eurem Bergfried bleibt der Look der Gebäude zudem immer gleich. Das finde ich schon etwas schade.

Video

Die hohe Kunst der Diplomatie

Doch nicht nur die Laune des Spielers unterliegt in Stronghold Schwankungen, auch seine Untertanen sind wankelmütige Zeitgenossen: Basierend auf Faktoren wie Glaube, Nahrungsversorgung, Steuern sowie Lebens- und Wohnkomfort variiert die Beliebtheit eures Herrschers. Ist euch euer Volk wohlgesonnen, kommen stetig neue Menschen in die Burg. Macht ihr euch unbeliebt, laufen euch die Leute davon. Entsprechend müsst ihr darauf achten, immer im grünen Bereich zu bleiben – etwa, indem ihr die Essensrationen erhöht. Dabei liefert Warlords nun einen genauen Überblick über eure Materialvorräte: Wie viel Essen produziert ihr gerade und wie viel wird verbraucht? So könnt ihr besser einschätzen, welche Maßnahmen ihr euch tatsächlich leisten könnt. Ebenfalls spannend ist der Angstfaktor: Wenn ihr Pranger und andere Folterwerkzeuge baut, leidet darunter zwar euer Ansehen, dafür steigt aber auch die Produktivität eurer Arbeiter.

Neben dem eigenen Volk solltet ihr auch die anderen Herrscher auf der Karte im Auge behalten. Hier erwarten euch neuerdings die namensgebenden „Warlords“ – KI-gesteuerte Kriegsherren, die auf eure Seite gezogen werden können. Das geht entweder, indem ihr sie gewaltsam in die Knie zwingt oder auf diplomatische Art und Weise mit Hilfe von Diplomatiepunkten. Die werden automatisch über den Spielverlauf hinweg generiert (neue Gebäude wie Konsulate oder Botschaften bieten dabei Boni) und erlauben es euch, die Loyalität eines KI-Spieler zu erkaufen oder einen Gefallen von ihm einzufordern. Ihr könnt euch von einem Verbündeten etwa Rohstoffe oder Truppen schicken lassen, manche der insgesamt acht Warlord-Archetypen bieten auch passive Boni. Das sorgt für eine zusätzliche taktische Komponente.

Einziger Wermutstropfen: Die Kriegsherren sind absolut passiv. Sie bauen keine Gebäude, rekrutieren keine Einheiten und greifen euch auch nicht aktiv an, solange ihr nicht ihr Herrschaftsgebiet betretet. Sie sind quasi generische Requisite, die nur darauf wartet, von euch gefangengenommen zu werden. Frühere Gegenspieler wie der Wolf oder Saladin der Weise hatten da weitaus mehr Charakter.

Knackig, aber altbacken

In Sachen Kriegsführung bleibt Stronghold indes gewohnt anspruchsvoll. Gerade die groß angelegten Eroberungen verlangen euch einiges ab: Hier müsst ihr klug mit den vorhandenen Truppen haushalten, Schilde platzieren, mit Bogenschützen die Wälle unter Beschuss nehmen, dann mit Belagerungsgerät die Tore einreißen und schließlich mit der Infanterie einmarschieren. Zur besseren Koordination bietet Warlords sogar noch ein paar Taktik-Optionen: Neben aggressiver oder defensiver Ausrichtung könnt ihr nun auch Formationen auswählen. Jede Einheit verfügt zudem über genaue Werte, was Rüstung oder Schaden angeht. Das hilft, die Vorteile der unterschiedlichen Standard- und Spezialeinheiten zu überblicken und abzuwägen: Baue ich lieber ein Heer flinker, aber leicht gepanzerter Axt-Kämpfer auf? Oder setze ich doch lieber auf langsame aber kraftvolle Schwertkrieger?

Nur in Sachen Inszenierung bleibt noch Luft nach oben. Versteht mich nicht falsch, Warlords sieht nicht schlecht aus. Das neue Setting macht was her, Umgebungen und Gebäude sind schick anzuschauen und auch der Detailgrad nicht zu verachten: Wenn ein Katapult mitten in eure Kompanie trifft, sodass eure Mannen schreiend durch die Luft segeln, ist das echt gut gemacht. Die verwaschenen Charaktermodelle selbst sind aber kein Augenschmaus, genauso wenig wie die sehr rar gesäten Cutscenes. (Nicht, dass die Walls of Text zu Beginn einer jeden Mission besser wären.) Am problematischsten sind allerdings die Auftritte der vier Protagonisten der Kampagne. Die erscheinen immer nur für eine fünfsekündige Animation am oberen rechten Bildschirmrand. Das war schon vor 20 Jahren nicht sonderlich schön anzuschauen, wirkt 2021 allerdings vollkommen aus der Zeit gefallen.

Wo ist die Burgbau-Romantik?

Wenig meckern kann man über den Inhalt: Neben vier Militärkampagnen gibt es noch eine mit Wirtschaftsfokus. Deren Missionen drehen sich meist um die Beschaffung einer bestimmten Anzahl an Ressourcen, wobei ihr nicht nur mit einem Zeitlimit, sondern auch mit zufälligen Ereignissen zu kämpfen habt: Eine plötzliche Dürre kann etwa dafür sorgen, dass eure komplette Ernte ausbleibt oder eines eurer Gebäude unter der brennenden Hitze in Flammen aufgeht. Darüber hinaus gibt es noch angepasste Scharmützel und Freies Bauen. Das könnte angesichts fehlender Technologie-Bäume oder anderer Entwicklungen auf Dauer aber etwas langweilig werden. Gut also, dass ihr dank eines umfangreichen Karteneditors zudem eigene Szenarien erstellen dürft, indem ihr das Map-Layout, die Startgüter oder das Missionsbriefing festlegt.

Zu guter Letzt ist da noch der Multiplayer. Hier tretet ihr mit bis zu acht Spielern auf einer Map gegeneinander an. Dabei lassen sich nicht nur Bots hinzufügen und Teams erstellen, sogar ein Koop-Modus wurde hinzugefügt. Der erlaubt es euch, zu zweit die Kontrolle über ein Volk zu übernehmen. Eine nette Idee, die aber nicht den eklatanten Makel des Mehrspieler-Parts überdecken kann: das Einheiten-Limit. Aktuell dürft ihr pro Spieler lediglich 120 Truppen auf der doch eher beengten Karte platzieren, die ikonischen Riesenheere früherer Serienteile sind so natürlich absolut unmöglich.

Auch andernorts fehlte uns so ein wenig der Charme der alten Stronghold-Spiele. Klar, den vorlauten Informanten gibt’s immer noch, auch eure Untertanen gehen unverändert geschäftig ihrem Tagewerk nach und grüßen nett, wenn ihr mit dem Cursor auf sie klickt. Dass eure Einheiten nun jedoch ihre Landessprache sprechen, statt nach einem Angriffsbefehl ein vergnügtes „Hühnerfutter“ von sich zu geben; dass ihr euren Mitspielern kein „Klappe, Knappe!“ mehr ins Gesicht pfeffern könnt; dass Story und Charaktere so bieder ins Szene gesetzt werden: All das sorgt dafür, dass bei mir – trotz netter Gameplay-Ansätze – die Burg-Romantik von damals irgendwie nicht nochmal aufkommen will.

Fazit

Es mag an der rosaroten Nostalgie-Brille liegen oder der Tatsache, dass ich das europäische Mittelalter als Setting einfach deutlich spannender finde als das fernöstliche: Wenn ich vor die Wahl gestellt werden würde, Stronghold: Warlords oder die HD-Version des Erstlings zu spielen, würde ich immer noch ohne zu zögern zum Klassiker greifen. Das soll nicht heißen, dass Warlords ein schlechtes Spiel ist. Firefly Studios hat mit den namensgebenden Kriegsherren, den Diplomatie-Optionen und frischen Gameplay-Elementen wie Schwarzpulver und Kleidungsproduktion ein paar interessante Neuerungen eingebracht. Serien-Neulinge können hier also durchaus ihren Spaß haben. Wer das originale Stronghold oder Crusader gespielt hat, ist aber einfach eine andere Qualität gewohnt.

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