Imperator: Rome im Test
Zusammenfassung: In Imperator: Rome könnt ihr nicht nur die Führung der Römer übernehmen, sondern aus hunderten kleinen Völkern von Schottland bis Indien wählen, um aus einer Lokalmacht ein Weltreich zu entwickeln. Das Paradox Development Studio inszeniert auf Grundlage einer überarbeiteten Clausewitz Engine globale Strategie von der frühen Antike bis etwa Christi Geburt. Ob diese historische Herausforderung für den PC unterhalten kann, verrät der Test.
Inhaltsverzeichnis
Groß und konservativ
Nun hat der schwedische Publisher nach einer langen Wartezeit von fast drei Jahren wieder ein Spiel herausgebracht, das beim hauseigenen Entwicklerstudio entstanden ist – die Fans dürften also nicht weniger als einen bahnbrechenden Titel erwarten. Dem Namen nach handelt es sich sogar um den ersten Teil einer komplett neuen Paradox-Reihe, doch entpuppt sich Imperator: Rome eher als eine recht konservative Weiterentwicklung des inzwischen mehr als zehn Jahre alten Europa Universalis: Rome. Das klingt erst einmal schlimmer als es eigentlich der Fall ist. Imperator: Rome vereint nämlich die Stärken der etwas neueren Titel aus dem Hohen Norden wie Hearts of Iron 4, Europa Universalis 4, Victoria 2 und Crusader Kings 2 und beschert uns die wohl größte Spielwelt, die es in den Grand-Strategy-Games von Paradox jemals gegeben hat.
Imperator: Rome versetzt uns in das Jahr 304 vor Christus. Zu jener Zeit war Rom nicht viel mehr als ein kleine Lokalmacht in Italien und Karthago war hingegen das Reich, das den gesamten westlichen Mittelmeerraum kontrollierte. Uns steht es frei, für welches Volk wir uns auf der riesigen Weltkarte entscheiden. Wir können auch mit fast unbekannten zimbrischen Stämmen unser Glück versuchen, die sich in Skandinavien sesshaft gemacht haben oder uns aber für eine große Zivilisation wie Baktrien oder Makedonien entscheiden. Die Entwickler selbst empfehlen den Start mit Rom, Ägypten, Karthago, dem Seleukidenreich oder Phrygien – und wir ebenso. Zwar mag es interessant sein, mit einem sehr kleinen Stamm den Versuch zu wagen, die Weltherrschaft an sich zu reißen, doch ist Imperator: Rome so herausfordernd und ebenso realistisch, dass dies kaum von Erfolg gekrönt sein wird. Außerdem gibt es bei den genannten Völkern besondere historische Ereignisse, die den Verlauf des Spiels auf eine interessante Weise mitunter stark beeinflussen. Zum Beispiel kann die Loyalität der alliierten Nachbarstaaten durch ein solches Ereignis ins Wanken geraten und dazu führen, dass sie ihre zur Unterstützung geschickten Armeen während einer Offensive zurückziehen und wir dann alleine gegen eine haushohe Übermacht kämpfen müssen.
Harter Einstieg
Wir müssen uns als Herrscher einer Nation nicht nur um die Nöte der Zivilbevölkerung kümmern, sondern ebenso um das Militär, die Diplomatie, Familienpolitik, die Religion und den Handel. Das überfordert in den ersten Spielstunden wohl auch die meisten Serienveteranen, da das Tutorial wieder einmal nur einen Bruchteil der wichtigsten Spielmechaniken von Imperator: Rome erklärt. Nach etlichen Fehlversuchen hatten wir aber Erfolg mit unserem Römerstaat und konnten uns sogar von einer Lokal- zu einer Großmacht hocharbeiten. Ärgerlich und nervig war es trotzdem, dass das Spiel es oftmals nicht schafft, wichtige Features und deren Tragweite zu erklären. So ist zum Beispiel das Militärsystem auf den ersten Blick recht einfach gestrickt. Uns stehen mit allen Nationen lediglich neun unterschiedliche Einheitstypen zur Verfügung, die nach einem Schere-Stein-Papier-Prinzip aufgebaut sind. Doch wenn man genauer hinschaut, findet man einen kleinen Button bei jeder Legion, mit dem wir noch unsere Taktik einstellen. Wenn wir etwa mehrheitlich schwere Infanterie einsetzen, lohnt sich das "Einigeln", wenn wir aber die Taktik "Umzingeln" verwenden, hat unsere Armee eine Effektivität von null Prozent – und ist somit nicht zu gebrauchen. Zudem müssen wir auch darauf achten, wie es um die Loyalität der Legion und dessen Anführer steht. Manche Generäle sind zwar auf dem Schlachtfeld hervorragend, haben aber Eigeninteressen und können im schlimmsten Fall sogar die Einheiten für sich beanspruchen und gegen uns rebellieren. Die Loyalität hängt wiederum von Faktoren wie etwa der Familienzugehörigkeit, aber ebenso von der Staatsform oder bestimmten Ereignissen wie Siegen und Niederlagen ab.
Gut Ding will Weile haben
Ähnliches erlebt man auch, wenn man zu aggressiv gegen die anderen Völker vorgeht. Wir hatten mit diplomatischen Problemen gerechnet, aber nicht unbedingt damit, dass die eroberten Länder wegen einer unterschiedlichen Kultur und Religionsangehörigkeit den Aufstand proben. Vor allem dann, wenn man zu schnell große Gebiete erobert und der Wert der "aggressiven Expansion" in die Höhe steigt, ist eine Rebellion kaum noch zu verhindern. Auch in fast allen anderen Bereichen wie etwa der Wirtschaft und den Regierungsangelegenheiten sind ähnliche Fallstricke eingebaut, die wir nach vielen gescheiterten Versuchen herausgefunden haben.
Wenn man das System und die Verquickungen innerhalb der einzelnen Teilbereiche nach vielen Stunden verinnerlicht hat und zudem mit der unhandlichen Benutzeroberfläche klarkommt, eröffnen sich die Stärken von Imperator: Rome. So gibt es kaum ein anderes Strategiespiel, das die Antike trotz der spartanischen Präsentation so detailgetreu wiedergibt und auch für Hobby-Historiker glaubhafte alternative Geschichtsverläufe simuliert. Ebenso ist der Wiederspielwert wegen der fast unendlich vielen spielbaren Nationen unglaublich hoch und außerdem sind wir uns sicher, dass Paradox in Zukunft Imperator: Rome noch mit etlichen DLCs bereichern wird und die Modder zudem fleißig frische Inhalte erstellen werden. Wer also ein Fan der schwedischen Spieleschmiede ist, wird auch mit ihrem neusten Werk mehr als glücklich werden. Jedoch braucht man auch als Serienveteran für den Einstieg eine Weile und für Genreneulinge ist es nicht wirklich ratsam, gleich mit einem solchem Strategieschwergewicht anzufangen.
Fazit
Die Paradox-Spiele begleiten uns schon seit dem ersten Teil der Europa-Universalis-Reihe. Die ersten Spielstunden waren ein wenig verwirrend und nervig. Vor allem das sehr kurze und wenig informative Tutorial macht den Einstieg schwer und auch die Benutzeroberfläche ist ein wenig unübersichtlich. Doch als wir mit der Zeit die vielen Systeme begriffen und verstanden hatten, wie sie ineinander greifen, waren wir begeistert. Unserer Meinung nach simulieren nur wenige Strategiespiele die antike Welt so detailgetreu und ermöglichen es Geschichtsinteressierten, diverse Was-Wäre-Wenn-Szenarien auszuprobieren. Wir für unseren Teil hatten auf jeden Fall viel Spaß dabei, das Römische Reich ohne die blutigen Punischen Kriege groß werden zu lassen und uns stattdessen auf die lukrativen Ländereien im Osten zu konzentrieren. Auch der missglückte Versuch, mit den Ost-Gothen in Italien einzufallen, war trotz des Scheiterns mehr als interessant. Ergo: Wer sich gerne mit Grand-Strategy-Games beschäftigt, ist mit Imperator: Rome gut beraten.