Stasis – Horror vom Feinsten
Der Einstieg in das PC Spiel sieht so aus: John Maracheck schlägt die Augen auf und krümmt sich vor Schmerz – auf dem dem Boden liegend, nass und schwer verletzt. Gerade wurde er aus einem Tank herausgespült, eine Stasiskammer, die ihn im Tiefschlaf gehalten hatte. Er befindet sich an Bord der Groomlake, einem gigantischen Forschungsschiff, das in der Umlaufbahn des Neptuns schwebt. Schreie hallen durch die stockfinsteren Gänge. Überall sind Trümmer, Leichen, Blut, Eingeweide verteilt. Was ist hier passiert? Verängstigt steht John Maracheck auf, versorgt notdürftig seine Wunden und macht sich auf die Suche. Irgendwo auf diesem Schiff muss auch seine Familie sein. Der einzige Trost in all diesem Horror: Die Stimme von Te'ah, eine mysteriöse Frau, die von Zeit zu Zeit in Funkkontakt steht und ihm hilft.
Schnell stellt sich heraus, wer oder was immer auch die Mannschaft niedergemetzelt hat, es ist noch lebendig und eine tödliche Gefahr für dich. Der Held jedoch ist kein Soldat, kann und will auch gar nicht kämpfen. Er will nur seine Familie retten. In anderen PC Games wird hier zur Knarre gegriffen, doch bei Stasis musst du allein durch deinen Kopf überleben. Es gibt kein Action, keine Gegner und auch keine Schleichabschnitte. Stattdessen musst du dich durch ein klassisches Point-and-Click die Groomlake durchstreifen. Dazu steuerst du John aus einer isometrischen Perspektive, lässt ihn nützliches Zeug sammeln, das an anderen Stellen zum Einsatz kommt. Eine moderne Hotspotanzeige oder hilfreiche Tipps wirst du vergeblich suchen – wie gesagt, Köpfchen ist gefragt. Stasis ist quasi ein schnörkelloses Retro-Adventure aus den 90ern.
So weit so gut, wären die Rätsel durchgängig logisch. Einige Aufgaben löst du nur durch stures Rumprobieren, z.B. als John eine Gewebeprobe "veredeln" muss: Dazu legst du einen Klumpen Fleisch auf einen Tisch und drischst mit einem Pistolengriff so lange drauf, bis das Zeug schön durchgematscht ist. Anspruch? Fehlanzeige! Kommt öfter vor und das ist schade, denn viele Aufgaben sind wirklich gut gemacht, besonders dann, wenn die Lösungshinweise subtil in der Umgebungsgrafik versteckt wurden.
Je weiter John in das Innere der Groomlake vorstösst, desto brutaler werden dieSzenen. John watet durch schrecklich pulsierende Brutbecken, in denen halbtote Körper langsam verfaulen. Er entdeckt Kammern, die von ekelhaften Blasen und Pilzen überwuchert sind, in denen menschliche Leiber qualvoll mit den Wänden verwachsen – "Alien" lässt grüßen. Säuregruben voller Körperteile. Ein Raum, in dem sich vergaste Leichen übereinander stapeln. Vor allem im letzten Spieldrittel sind einige brutale Szenen zu sehen und Zartbesaitete sollten sich überlegen, ob Stasis das richtige PC Game für sie ist.
Da es kaum (lebende) Kreaturen in Stasis gibt, wird ein großer Teil der Story über Computerterminals und PDAs abgewickelt, die John bei den Toten findet. Die Aufzeichnungen der Wissenschaftler und Techniker, die auf der Groomlake arbeiteten, sind nicht nur gut geschrieben, sondern werfen auch so einige gesellschaftskritische Fragen auf: Wie weit darf der Mensch in seinem Streben nach Wissen und Macht gehen? In Stasis werden nicht nur plump Fragen aufgeworfen, sondern dem Ganzen auch Ausdruck verliehen – seine Wut, sein nacktes Entsetzen wird hervorragend rübergebracht und versetzt den Spieler in einen wahren Albtraum.
Mit der Dauer des Spiels lässt die Handlung jedoch leider etwas nach. So wird ein mehr als unnötiger Bösewicht Teil der Geschichte. Im Laufe der Teit verpufft viel von der erzählerischen Kraft, die in den ersten Spielstunden entstanden ist. Immerhin: In den letzten Sekunden überrascht Stasis nochmal mit einem kleinen Gänsehautmoment, der uns noch weit über den Abspann hinaus grübeln lässt.
Fazit
Stasis überzeugt mit Authentizität durch die starre, isometrische Perspektive aus den 90er-Jahren, und auch die Technik wirkt ordentlich angestaubt. Alle Szenen sind altmodisch vorgerendert, wirken durch die geringe Auflösung aber auch ein wenig verwaschen. Dem finsteren Layout schadet das nicht, zumal punktuell eingesetzte Licht- und Schatteneffekte für Stimmung sorgen. Negativ sind die Animationen, vor allem Johns Bewegungen sind oft hölzern und unnatürlich. Dafür gleicht der gute Sound grafische Defizite aus: Unheimliche Soundeffekte, subtile Musikuntermalung und Schreie, die einem die Nackenhaare aufrichten – auch hier lässt Ridley Scotts "Alien" grüßen. Insgesamt ein gutes Spiel mit einigen Schwächen, dass aber seine Liebhaber finden wird.