The Sinking City im Test
Zusammenfassung: Ein Protagonist mit dämonischen Visionen, eine Stadt, die langsam im Meer versinkt und eine dunkle Macht, die Menschen in den Wahnsinn treibt – die Ausgangslage von The Sinking City klingt nicht nur für Liebhaber der Lovecraft-Vorlage wirklich vielversprechend. Ob das Detektiv-Abenteuer mit Horror-Elementen den Erwartungen aber auch gerecht wird, klären wir im Test.
Inhaltsverzeichnis
- Storyline von The Sinking City
- Ins kalte Wasser geworfen
- Meisterdetektiv in der Mache
- Nicht-Schwimmer aufgepasst
- Fehlende Abwechslung, frustrierende Kämpfe
- Selbst ist der Mann
- Hübsch-hässliche Welt
- Wo der wahre Horror lauert
- Fazit und Wertung
Storyline von The Sinking City
Thalassophobie – mit diesem sperrigen Wort beschreibt der Psychologe die Angst vor dem offenen Meer. Patienten bekommen Panik bei der Vorstellung, von viel Wasser umgeben zu sein. Die Einsamkeit auf dem Ozean sorgt ebenso für Beklemmung wie die weite Entfernung zum sicheren Land und die Ungewissheit dessen, was tief unter der Oberfläche wartet. Quallen, Haie oder gar Schlimmeres? Im Falle von The Sinking City (jetzt für 58,95 € kaufen) stellt man diese Frage besser gar nicht oder man riskiert die eigene geistige Gesundheit.
Im Mittelpunkt des Horror-Action-Adventures steht nämlich ein unbekanntes Grauen, das am Grunde des Meeres schlummert und nur darauf wartet, die Welt und all ihre Bewohner in die dunklen Tiefen hinabzuziehen. Keine schöne Vorstellung – auch nicht für Protagonist Charles W. Reed, einen einstigen US-Marine, der seit dem mysteriösen Untergang seines Schiffes USS Cyclops von fiesen Visionen und Alpträumen geplagt wird. Die Bilder sind dabei immer dieselben: eine Stadt, die in den Fluten versinkt. Riesige Mäuler, die ihn zu verzehren drohen. Und eine dunkle Stimme aus der Tiefe, die in zu sich ruft. Das ist auch für einen erfahrenen Seemann keine angenehme Erfahrung.
Ins kalte Wasser geworfen
Auf der positiven Seite stehen dem Weltkriegs-Veteran nun eine Reihe von seltsamen Kräften zur Verfügung, mit deren Hilfe er sich als Privatdetektiv verdingt. Bis ihn die Untersuchung einer Reihe seltsamer Vermisstenfälle schließlich nach Oakmont verschlägt – ein verschlafenes Nest im US-Bundesstaat Massachusetts, wo sich der Ermittler nicht nur Infos über das Abbleiben seiner Zielpersonen erhofft, sondern auch ob der Ursache seines eigenen Wahnsinns.
In Oakmont leiden nämlich viele Leute an ähnlichen Visionen wie er. Grund dafür scheint eine mysteriöse Überschwemmung zu sein, die Teile des fiktiven Städtchens komplett im Wasser hat versinken lassen. Täglich werden weitere Teile der Stadt Opfer der Fluten. Was noch übrig bleibt, ist mit glitschig-grünem Meereswuchs überzogen. Tote Fische säumen die wenigen Straßen, die noch problemlos begehbar sind. Zu allem Überfluss treiben auch noch verunstaltete Kreaturen in der Gegend ihr Unwesen, die die Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzen. Ganze Viertel – die sogenannten "befallenen Gebiete" – sind abgeriegelt, da die Monster dort komplett die überhandgenommen haben.
Meisterdetektiv in der Mache
Ihr macht euch mit Charles Reed nun also auf, all diesen Vorkommnissen auf den Grund zu gehen. Stolpert allerdings schon wenige Minuten, nachdem ihr im örtlichen Hafen von Bord gegangen seid, in euren ersten Fall. Ihr sollt dem Aristokraten Robert Throgmorton dabei helfen, seinen verschollenen Sohn zu finden, der von einer Untersuchungsexpedition zum Meeresgrund nicht zurückkehrte. Eine perfekte Gelegenheit, um euch schnell mit den Grundprinzipien des Titels vertraut zu machen.
Bei The Sinking City handelt es sich nämlich um ein Detektivspiel. Kaum überraschend, kommt der Titel doch vom ukrainischen Studio Frogwares, das vorher für diverse Sherlock-Holmes-Titel verantwortlich zeichnete. Es gilt also, Beweise und Zeugen zu finden, diese zu kombinieren und so Fälle zu lösen. Im Gegensatz zum wohl berühmtesten Schnüffler der Literaturgeschichte muss sich Reed dabei allerdings nicht allein auf sein Gespür verlassen, sondern kann auch bereits erwähnte, übernatürliche Fähigkeiten sein Eigen nennen.
Wichtigstes Schlüssel-Feature ist dabei das sogenannte Innere Auge. Mit diesem lassen sich geheime Räume, unsichtbare Zeichen oder versteckte Spuren entdecken. Darüber hinaus gibt es noch die Retrokognition – eine Art Mystery-Puzzle, das man so ähnlich schon aus The Vanishing of Ethan Carter kennt. Mit dessen Hilfe könnt ihr einen Blick in die Vergangenheit werfen und diese noch einmal durchleben, vorausgesetzt ihr bringt die Aktionen dieser Rückblenden in die richtige Reihenfolge.
Nicht-Schwimmer aufgepasst
Darüber hinaus müsst ihr aber natürlich auch ganz klassisch Indizien sammeln und diese in eurer Fallmappe zusammengetragen, sie miteinander kombinieren und die richtigen Schlussfolgerungen ziehen. Das passiert jedoch alles in Eigenregie. The Sinking City bietet euch – je nach Schwierigkeitsgrad – kaum bis keine Unterstützung im Detektiv-Alltag. Missionsmarker müsst ihr selbst auf die Karte setzen. Recherche müsst ihr im Stadtarchiv selbst betreiben. Der Bildschirm ist, abgesehen von eurer Lebensanzeige, beinahe nackt.
Das mag auf den ersten Blick etwas abschreckend wirken. Der eine oder andere fühlt sich zu Spielbeginn vielleicht auch ein wenig alleingelassen. Dieses hohe Maß an Eigeninitiative kann aber auch sehr fordernd und motivierend sein. Zumindest bis zu dem Punkt, an dem euch klar wird, dass alle Fälle nach dem gleichen Schema ablaufen: Ihr kommt an einen Tatort, sucht mit dem Inneren Auge nach Hinweisen, verknüpft Indizien zu Schlussfolgerungen und beginnt dann an anderer Stelle wieder von vorne. Etwas mehr Abwechslung wäre da gut gewesen.
Fehlende Abwechslung, frustrierende Kämpfe
Zumal die Nebenaufträge, die ihr abseits des roten Fadens – eurem Hauptfall – annehmen könnt, ebenfalls nach dem gleichen Konzept aufgezogen wurden und euch überdies kaum spielerische Vorteile bieten. Hier und da bekommt ihr eine Trophäe, schaltet ein lustiges Outfit frei oder erlebt obskure Geschichten – etwa die eines Totengräbers, dem auf dem Friedhof die Leichen abhandenkommen. Gameplay-Innovationen sind aber eher Mangelware.
So bleiben als potenzielle Abwechslung eigentlich nur noch die Kämpfe gegen die monsterhaften Wesen, die die Stadt terrorisieren. Die sehen in der Summe auch recht interessant aus, wirklich angsteinflößend sind sie aber nicht. Das Lovecraft-Universum hätte da bestimmt weitaus gefährlichere Schrecken hergegeben. Die gerade einmal vier unterschiedlichen Gegnertypen könnt ihr nämlich meist recht problemlos mit Nahkampf- und Schusswaffe zu Leibe rücken.
Statt um euer Leben kämpft ihr zudem öfters mit der Steuerung. Die Baller-Abschnitte sind, gerade auf der Konsole, ziemlich unpräzise und das Trefferfeedback vollkommen unbefriedigend. Zudem macht Protagonist Charles Reed aufgrund komischer Animationen oftmals eine etwas hölzerne Figur, wodurch jegliche Gefechte in The Sinking City schnell zur leidigen Qual werden, der man lieber aus dem Weg geht.
Selbst ist der Mann
Es gibt aber auch noch andere Gründe, Auseinandersetzungen zu meiden – etwa den Umstand, dass in Oakmont alle Ressourcen knapp und keine Händler verfügbar sind. Entsprechend müsst ihr mit Munition und Heilitems sorgsam umgehen oder per Crafting-Funktion selbst für Nachschub sorgen. Die benötigten Materialien dafür findet ihr in eurer Umgebung. Haltet also stets Ausschau nach Truhen, Schränken oder auch Mülleimern, in denen sich Schießpulver und Ähnliches finden lässt.
Mit offenen Augen durch die Spielwelt zu laufen, ergibt ohnehin viel Sinn. Schließlich gehört die stimmungsvolle Umgebung ganz klar zu den Stärken von The Sinking City. Oakmont hat dank seiner deutlichen Lovecraft-Einflüsse einiges zu bieten. Seien es nun die interessanten Einwohner (wie Fisch-Mensch oder Affen-Mensch-Hybriden), der eigene (toll vertonte) Dialekt oder die tieferliegenden sozialen Spannungen innerhalb der Bevölkerung. Diese werden teils so unverblümt dargestellt, dass sich die Entwickler zu Spielbeginn dafür sogar entschuldigen. Man bilde nur möglichst authentisch die literarischen Werke von H.P. Lovecraft ab, heißt es da. Und die sind eben zu einer Zeit entstanden, in der Minderheiten gerne mal von der Gesellschaft diskriminiert wurden.
Hübsch-hässliche Welt
Diese ernste Atmosphäre spiegelt auch das Design der Spielwelt wieder. Oakmont wirkt mit seinen zerfallenen Häusern und kaputten Autos wie ein gottverlassener Ort – hoffnungslos und trist. Hier liegt nicht nur die Gesellschaft in Ruinen, sondern auch die Stadt selbst. In Oaktmont trefft ihr auf zahlreiche außergewöhnliche Gestalten wie Robert Throgmorton – Teil einer Familie aus Mensch-Affen-Hybriden. In Oaktmont trefft ihr auf zahlreiche außergewöhnliche Gestalten wie Robert Throgmorton – Teil einer Familie aus Mensch-Affen-Hybriden. Quelle: PC Games Dazu kommen dann noch steigendes Wasser, andauernder Regen und dicker Nebel, die zur düsteren Umgebung und so zum ganz eigenen Spielgefühl beitragen. Dummerweise hat man sich daran allerdings irgendwann "sattgesehen". Dann wirkt Oakmont nur noch grau und hässlich – wie ein Ort, der auch schon vor der Flutkatastrophe nicht sonderlich lebenswert gewesen sein kann. Was auch an matschigen Texturen und Detailarmut liegt. Oder der nervig zeitraubenden Fortbewegung zu Fuß oder zu Wasser.
Immerhin die Story hält einen bei der Stange. Diese ist spannend erzählt, wartet mit der einen oder anderen überraschenden Wendung auf und stellt euch oftmals vor harte Entscheidungen, in denen ihr – passend zur deprimierenden Gesamtstimmung – meist nur zwischen zwei Übeln wählen könnt. Leider wird einem aber irgendwann klar, dass euch The Sinking City nur die Illusion von Entscheidungsfreiheit vorsetzt. Eure Aktionen haben nur kaum sicht- oder spürbare Auswirkungen auf die Umwelt oder den Ausgang der Geschichte. Welches Ende ihr nach zehn bis 15 Stunden zu sehen bekommt, ist tatsächlich nicht von eurer Spielweise abhängig, sondern von den Entscheidungen, die ihr in der letzten Viertelstunde trefft.
Das ist wirklich schade. Wie auch das ungenutzte Potenzial beim Protagonisten. Der Privatdetektiv ist für den einen oder anderen Witz gut. Etwa, wenn er den Imperialen Hexenmeister – also den Kopf der lokalen Kukluxklan-Gruppierung – auffordert, uns mal einen Zaubertrick zu zeigen. Ansonsten bleibt er aber blass und eindimensional und wollte uns nie so richtig ans Herz wachsen. Tiefe bekommt er nur auf spielerischer Ebene. Und auch nur dann, wenn ihr ihm diese selbst verleiht. Etwa, indem ihr ihn über einen Fähigkeitenbaum mit diversen Skills und Perks, wie zusätzlicher geistiger Gesundheit, ausstattet. Sinkt diese aufgrund traumatischer Erlebnisse (etwa die Ermordung eines unschuldigen Passanten) nämlich in den Keller, sieht Reed Halluzinationen und Schattenfiguren, die ihn angreifen, solltet ihr euch nicht rechtzeitig ein gutes Antipsychotikum in die Venen ballern.
Wo der wahre Horror lauert
Abschließend offenbart der Titel dann auch noch ein paar technische Macken. Gerade auf der Konsole leidet The Sinking City unter Kantenflimmern, Pop-ins und nachladenden Texturen. In der Ferne tauchen Hintergründe und Kulissen manchmal komplett aus dem Nichts auf. Auf der PS4 wurden sogar gesamte Gebäude-Fassaden nachgeladen, während wir nur zehn Meter davor standen. Wenn ihr besagte Häuser betreten wollt, solltet ihr euch zudem auf einige Wartezeiten gefasst machen. Ist Charles' Psyche angeknackst, leidet der Privatdetektiv und beängstigenden Visionen und Wahnvorstellungen. Ist Charles' Psyche angeknackst, leidet der Privatdetektiv und beängstigenden Visionen und Wahnvorstellungen. Quelle: PC Games PS4- und Xbox-Spieler starren teils mehrere Sekunden auf einen Blackscreen, bevor das Innere eines Raumes geladen wird. PC-Spieler haben es da deutlich besser, das Nutzen der Schnellreise oder Respawnen nach einem Tod laufen aber auch auf dem Rechner nicht ohne Unterbrechung ab.
So fällt das Fazit für The Sinking City dann leider doch etwas ernüchternd aus. Was wirklich bedauerlich ist, da der Titel durchaus Potenzial für mehr gehabt hätte. Aus den vielversprechenden Ansätzen wurde aber einfach zu wenig gemacht, sodass das Horror-Adventure – das ihr seit dem 27. Juni über den PSN, Xbox oder Epic Games Store bekommt, zwar als netter Lückenbüßer fürs nahende Sommerloch hinhält, einem wahrscheinlich aber nicht längerfristig im Gedächtnis bleibt.
Fazit und Wertung
Nach einer ersten Anspiel-Möglichkeit im Mai hatten wir uns richtig auf The Sinking City gefreut und sind entsprechend auch mit einiger Euphorie in den Test gestartet. Zum Ende des gut zehn bis 15-stündigen Abenteuers war davon aber leider nicht mehr viel übrig. Den diversen positiven Aspekten des Spiels – der Welt, der Atmosphäre oder auch dem interessanten Spielkonzept – stehen einfach diverse eklatante Makel gegenüber: Das Lösen der Fälle wird auf Dauer eintönig, Kämpfe und Fortbewegung müßig und die Geschichte – aufgrund fehlender Konsequenzen eurer Handlungen – etwas unglaubwürdig. Zugegebenermaßen hatten wir nichtsdestotrotz Spaß an dem Titel. Ein außergewöhnliches, erinnerungswürdiges Spielerlebnis – für das durchaus Potenzial vorhanden gewesen wäre – war es aber leider nicht.